Prof. Karl Stolte „Diabetologe“ im dritten Reich und in der frühen EX-DDR
Geboren 1881 in Straßburg, in der dortigen Universität sein medizinisches Staatsexamen im Jahre 1904 abgelegt, wurde er zum 1. Oktober 1916 als Direktor der Kinderklinik Breslau berufen. Ab 1929 entwickelte Stolte dort sein Konzept zur flexiblen Behandlung von Diabetes bei Kindern unter der Bezeichnung „Freie Diät“. Nach dem Krieg ging die Arbeit in Greifswald weiter, wo er als Direktor der Universitätskinderklinik bis Mitte 1948 arbeitete. Seine letzte Arbeitsstelle war die Uniklinik Rostock, die er bis zu seinem Tode 1951 leitete.
Mit seinem Behandlungskonzept der bedarfsgerechten Insulingebung bei Typ-1-Diabetes hatte er die ICT 50 Jahre vorweggenommen. Da jedoch das medizinische Meinungsbild in der Endokrinologie diese Entwicklung nicht mitmachen wollte, und der zweite Weltkrieg eine größere Publikation nicht erlaubte, blieben seine Erfolge nur auf Breslau, sowie Umgebung beschränkt. In der DDR hatte es dieser herausragende Wissenschaftler und Kliniker ebenfalls nicht einfach. Erst 30 Jahre nach seinem Tod, begann man seine aufgezeigten Therapiemöglichkeiten in der gesamten Republik umzusetzen. Auf der 25. Jahrestagung der DDG 1990 in Düsseldorf wurde zum ersten Mal der „Karl Stolte Preis“ an zwei Ärzten vergeben.
Er behauptete bei der Beschreibung seiner „Freien Diät“: „dass es möglich sein müsste, mit Hilfe des Insulins den Stoffwechsel der Kinder in normale Bahnen verlaufen zu sehen. Das war der Grund, weswegen wir schon bald nach der Einführung des Insulins die Kinder in folgender Weise einstellten. Wir gaben ihnen die Kost, die sie zu Hause hatten, indem wir die Kinder drei Tage nach der Aufnahme sich die Menge der einzelnen Speise frei wählen ließen. […] Zuckerkranke Menschen darf man nicht behandeln wie Versuchstiere, die Tag für Tag eine auf das Gramm vorgeschriebene Nahrungsmenge erhalten“. Als Messkriterium für diese Therapie wurden regelmäßige Uringlukosemessungen unternommen, und die Insulingabe in 3 Injektionen dementsprechend angepasst. Als erster erkannte er einen schwankenden Bedarf an Insulin (Basalinsulin) und versuchte diesen durch fraktionierter Gabe von raschwirkenden Insulin Rechnung zu tragen um einen Stoffwechsel, ähnlich des Nichtdiabetikers zu simulieren. Als 1939 nach Entdeckung des Verzögerungsinsulins, dieses angewandt werden sollte, weigert sich Stolte. „Eine bedarfsorientiere Insulingabe ist nur mit schnellwirkenden Insulin machbar“. In einer Publikation hebt er den Wert des Pankreas in besonderen Maße hervor. Der Pankreas ermögliche es, daß der gesunde Mensch längere Zeit hungern oder sich „überessen“ könnte, ohne eine Unter- bzw. überzuckerung zu bekommen. Dieses dynamische Handeln mit Insulin erklärte er zu seiner Zieltherapie. Gleichfalls kann man ihm hoch anrechnen gegen den Widerstand seiner Kollegen eine Diätunabhängige Therapie für Typ-1-Diabetiker/innen entwickelt zu haben. (Gegensatz Carl von Noorden).